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Unser offener Brief an die Hochschulleitung.

Am 14. Januar 2021 haben wir, die Studierendenorganisation der FHNW, einen Brief an den Direktionspräsidenten und an die Hochschuldirektoren gesendet. In diesem Brief appelieren wir an ihre Vernunft, die geplanten Präsenzprüfungen abzusagen und mit Distanzprüfungen zu ersetzen. Lesen sie den gesamten Brief hier:


Offener Brief – Prüfungen auf Distanz – so schützen wir uns

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Bergamaschi,
sehr geehrte Direktorinnen und Direktoren der FHNW Hochschulen

Aufgrund der aktuellen Lage und der Fallzahlen, der Ausbreitung der neuen Mutation des Coronavirus und der neuen Bestimmungen und Massnahmen des Bundes der Medienkonferenz vom 13. Januar 2021 richten wir uns als Vertretung der Studierendeninteressen mit folgender Forderung an Sie:

Die anstehenden Präsenzprüfungen des Herbstsemesters 20/21 sollen im Distanz-Modus durchgeführt werden.

In der Medienkonferenz vom 13. Januar 2021 wurden die verlängerten und zusätzlichen Massnahmen im Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Corona-Virus verkündet. Darin beschränken sich private und öffentliche Treffen auf maximal 5 Personen. Treffen in privaten Räumen beschränken sich dabei nicht nur auf die Anzahl, sondern meist auch auf einen hohen Verwandtschaftsgrad der Anwesenden. Die Massnahme zur weiteren Einschränkung der Kontaktpersonen kollidiert mit den geplanten Präsenzprüfungen. Bei diesen Prüfungen müssen bis zu 50 Personen gleichzeitig durch denselben Eingang, vor denselben Türen auf Einlass warten und mit 50 – teilweise aus der ganzen Schweiz – Personen während 1,5h in einem meist ungelüfteten Raum ihre Prüfung schreiben. Die Anzahl der Kontaktpersonen vervielfacht sich dabei – entgegen der neuen Bestimmungen – um das 10 zehnfache.

«Wir schätzen, dass sich die Ansteckungszahlen mit dieser neuen Variante jede Woche verdoppeln.» so Alain Berset an der Medienkonferenz vom 13. Januar 2021 über die neue Mutation des Corona-Virus. Die Erwartung, dass die Fallzahlen entsprechend steigen, scheint mit der Durchführung von Präsenzprüfungen nicht kohärent. Laut Alain Berset wird weiter erwartet, dass es im Februar eine dritte Welle geben wird. Die meisten Prüfungen, welche unsere Forderung betrifft, finden genau in diesem Zeitraum statt. Nicht nur die Abhandlung der Präsenzprüfungen, sondern ebenso der logistische Aufwand rund um die Prüfung exponiert die Studierenden einer möglichen Ansteckung; Hin- und Rückreise, die den Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln bedingt; Einlass zur Prüfung; Bewegung in Aufenthaltsräumen usw.

Das Schutzkonzept bzw. die notrechtlichen Anordnungen der FHNW vom 26. Oktober 2020 besagen, dass die «Ausbildung und Weiterbildung […] grundsätzlich virtuell/auf Distanz statt[findet]. Ausnahmen [würden] vom zuständigen Direktor, der zuständigen Direktorin bewilligt.» Den zu meisternden technischen Herausforderungen zur Unterrichtsgestaltung im Modus auf Distanz wurden also bereits während zwei Semester begegnet und entsprechende Lösungen gefunden. Dass die vom Bund verordnete Lehre auf Distanz nun auf Präsenzprüfungen trifft, erscheint unter den vorherrschenden Umständen und mit der weiteren Ausbreitung der hochansteckenden Mutation des Virus unberechtigt. Zu bedenken ist auch die Tatsache, dass sich unter den Studierenden auch besonders gefährdete Personen befinden. Das Absolvieren einer Präsenzprüfung ist für jene keine Option. Die Phrase «Ausnahmen bestätigen die Regel» soll in diesem Ausnahmezustand zu «Ausnahmen bestimmen die Regel» umgeschrieben, der Name zum Programm werden.

Es ginge nicht darum, ob Massnahmen ergriffen würden, sondern wann, so Alain Berset in der Medienkonferenz. Die Durchführungen von schriftlichen Prüfungen vor Ort mit grösseren Menschenmengen sendet das gegenteilige Signal aus. Der Schutz und die Gesundheit aller Personen sollten als erste Priorität anerkannt werden. Dies nicht nur, um die Einzelnen selbst zu schützen, sondern um eine Besserung der Corona-Situation in der gesamten Schweiz anzustreben und das Gesundheitspersonal entsprechend zu entlasten. Auch mit Blick auf die Zahl der Studierenden, die sich während des Semesters bereits mit Corona infiziert haben, ist eine Präsenzpflicht bei den Prüfungen nicht akzeptabel.

Ein weiterer, nicht auszuklammernder Punkt, ist die Frage, inwiefern die – wenn nicht technische – psychische Belastung in Bezug auf die Performanz der Studierenden bei der Prüfung eine Rolle spielt. Möglicherweise können logistische Herausforderungen gelöst werden, wie steht es aber um psychologische Faktoren? Die persönliche Betroffenheit des Virus, der Massnahmen und der Einschränkungen ist gross. Sich dann in einer grösseren Menschenmenge – als Kontrastprogramm zur Zahl 5 – unter Leistungs- und Zeitdruck einer Prüfung zu widmen, kann abgesehen von der regulären Belastung in Prüfungssituationen durchaus Auswirkungen auf die individuelle Leistung haben.

Wir wissen, dass es gewisse Leistungsnachweise gibt, die nicht auf Distanz stattfinden können. Die aktuelle Situation in den Spitälern bedingt jedoch, dass sehr strikt mit der Bewilligung von Präsenzprüfungen umgangen wird. Mit keinem freien IPS-Bett im Kanton Solothurn und nur wenigen in den weiteren Kantonen[1] können wir es uns als Studierende, Hochschule und Mitmenschen nicht leisten, Personenansammlungen zu fördern, die auch im Distanzmodus durchführbar wären. Herr Berset spricht in der Medienkonferenz in Bezug auf die Ausbreitung der Mutation (und damit der weiteren Entwicklung der epidemiologischen Lage) von einem Wissensvorsprung. Dieser Brief ist unser Appell an Sie, diesen Wissensvorsprung entsprechend zu nutzen und einer gesundheitlichen wie auch psychischen Entlastung der Studierenden, sowie der Mitarbeitenden und Angehörigen, mit der Aufhebung der Prüfung in Präsenz gerecht zu werden.

Im Namen der FHNW Studierenden

Elisabeth Reichert,                             Roger Siegenthaler,
Präsidentin students.fhnw                  Geschäftsstellenleiter students.fhnw


[1] Covid-19 Schweiz | Coronavirus (admin.ch)